Das Wir gewinnt
Drei Flaggen an Mast vor blauem Himmel: Eine mit dem Logo der UN, eine mit vielen bunten Punkten im Kreis, die Inklusion symbolisieren sollen und die deutsche Fahne

Die Umsetzung der UN-BRK in Deutschland

Im Jahr 2009 hat die Bundesrepublik Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) ratifiziert. Und sich damit verpflichtet, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen. Doch in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens sind diese bisher nicht ausreichend umgesetzt. Forderungen, was in den verschiedenen Lebensbereichen noch passieren muss.

Was ist die UN-Behindertenrechtskonvention?

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist ein Vertrag der Vereinten Nationen, der die Rechte von Menschen mit Behinderungen schützt. Sie wurde am 13. Dezember 2006 beschlossen und gilt weltweit seit dem 3. Mai 2008. Deutschland hat die Konvention am 24. Februar 2009 ratifiziert. Seit dem 26. März 2009 ist sie in Deutschland gültig und muss von allen staatlichen Stellen beachtet und umgesetzt werden.

Die UN-BRK ist kein neuer Vertrag mit eigenen Regeln, sondern sie erklärt, wie die allgemeinen Menschenrechte speziell für Menschen mit Behinderungen gelten. Der Grund für die Konvention war, dass Menschen mit Behinderungen weltweit oft benachteiligt und ausgeschlossen wurden und immer noch werden. 

Wie weit ist Deutschland in der Umsetzung der UN-BRK?

Alle Länder, die die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben haben, müssen regelmäßig berichten, wie gut sie die Regeln umsetzen. Dafür gibt es ein Prüfverfahren bei einem UN-Ausschuss. Am Ende schreibt der Ausschuss einen Bericht mit „Abschließenden Bemerkungen“. Darin steht, was das Land schon gut macht und was noch verbessert werden muss. Deutschland hat bisher abschließenden Bemerkungen erhalten: 2015 und 2023. In beiden Berichten gab es Lob, aber auch deutliche Kritik.

Gelobt wurden beispielsweise neue Gesetze:

  • Das neue Betreuungsrecht mehr darauf, was die betreute Person selbst möchte.
  • Das Bundesteilhabegesetz sorgt dafür, dass Leistungen für Menschen mit Behinderungen besser zu ihren persönlichen Wünschen passen.
  • Das Wahlrecht: Seit 2019 dürfen auch Menschen mit bestimmten Behinderungen wählen, die vorher ausgeschlossen waren.

Kritik gab es vor allem bei folgenden Themen: 

  • Der langsame Abbau von Sondereinrichtungen (z. B. Förderschulen, Werkstätten, große Wohnheime).
  • Der mangelnden Barrierefreiheit im Alltag – z. B. bei Freizeitangeboten, Wohnungen oder Arbeitsplätzen.
  • Dem fehlenden inklusiven Gesundheitssystem.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert von der aktuellen Bundesregierung, bestehend aus CDU/CSU und SPD, die konsequente Umsetzung der UN-BRK. Im folgenden Stellen wir die Forderungen in den verschiedenen Lebensbereichen genauer vor. 

Internationaler Vergleich UN-BRK-Umsetzung

Eine im Auftrag der Aktion Mensch durchgeführte Studie hat untersucht, inwiefern sich die Fortschritte der Vertragsstaaten bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention miteinander vergleichen lassen. Auch wenn die Datenlage noch dünn ist, zeichnet sich ab, dass Deutschland in wichtigen Bereichen stärker auf der Bremse steht als andere Länder.

Forderungen im Bereich Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist ein zentrales Thema der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie muss in allen Lebensbereichen gelten – zum Beispiel beim Wohnen, Arbeiten, in der Freizeit oder im Internet. In Deutschland gibt es aber noch viele Hindernisse, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich.
Ein wichtiges Prinzip ist: Wenn Barrierefreiheit nicht möglich ist, müssen angemessene Vorkehrungen getroffen werden – also individuelle Lösungen, damit Menschen mit Behinderungen trotzdem teilnehmen können. Wenn solche Vorkehrungen verweigert werden, ist das eine Form von Diskriminierung.

Damit sich die Situation verbessert, schlägt das Deutsche Institut für Menschenrechte folgende Dinge vor:

  • Gesetze ändern, damit Barrierefreiheit für mehr Firmen verpflichtend wird.
  • Fördergelder nur dann vergeben, wenn Barrierefreiheit eingehalten wird – z. B. beim Wohnungsbau oder im Gesundheitsbereich.
  • Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verbessern, damit es strengere Regeln gibt und besser kontrolliert wird.
  • Mehr Möglichkeiten für Klagen schaffen, damit Menschen ihr Recht leichter durchsetzen können.

Forderungen nach mehr Inklusion auf dem Arbeitsmarkt

Deutschland muss laut UN-Behindertenrechtskonvention dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen auf Ausbildung und Arbeit haben wie alle anderen. Doch das ist bisher nicht gelungen.

Viele Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind nicht barrierefrei. Förderangebote wie das „Budget für Arbeit“ sind oft kompliziert und passen nicht gut zu den individuellen Bedürfnissen der Menschen oder Unternehmen. Besonders in Übergangsphasen – zum Beispiel von der Schule in den Beruf – fehlen passende, flexible Lösungen.

Außerdem arbeiten viele Menschen mit Behinderungen weiterhin in Sondereinrichtungen wie Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfMmB) oder machen spezielle Ausbildungen, die sie vom allgemeinen System abgrenzen. Das widerspricht dem Ziel der Inklusion.

Zwei Frauen und en Mann stehen nebeneinander. Sie tragen braune Kappen. Im Hintergrund ist eine mobile Kaffeestation zu sehen.

Deshalb fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte folgendes von der Politik: 

  • Ausbildung inklusiv gestalten: Jugendliche mit Behinderungen sollen Zugang zu regulären Ausbildungen bekommen. Dafür müssen Ausbildungsinhalte flexibler werden und die Berufsberatung inklusiv sein.
  • Gesetze anpassen: Das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung sollen besser auf die Bedürfnisse von Jugendlichen und Unternehmen eingehen.
  • Mehr Daten erfassen: Zu besseren Planung soll in der Berufsbildungsstatistik auch das Merkmal „Behinderung“ erfasst werden.
  • Barrierefreie Arbeitsplätze schaffen: Mehr Unternehmen sollen verpflichtet werden, ihre Arbeitsplätze barrierefrei zu machen.
  • Unternehmen besser unterstützen und verpflichten: Beratung soll einfacher werden, und die Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen soll gestärkt werden.
  • Werkstätten reformieren: Menschen, die dort arbeiten, sollen als reguläre Arbeitnehmer*innen gelten und mindestens den Mindestlohn bekommen. Langfristig sollen alle Sonderstrukturen abgeschafft werden.

Mehr erfahren zu Inklusion auf dem Arbeitsmarkt:

Forderungen für mehr selbstbestimmtes und inklusives Wohnen

Menschen mit Behinderungen haben das Recht, selbst zu entscheiden, wo und mit wem sie leben möchten – genau wie alle anderen. Sie dürfen nicht gezwungen werden, in besonderen Wohnformen wie Heimen zu leben. Trotzdem wohnen in Deutschland noch viele Menschen mit Behinderungen in solchen Einrichtungen, besonders Menschen mit sogenannten geistigen Beeinträchtigungen.

In diesen Wohnformen wird das Recht auf Selbstbestimmung oft verletzt: Es fehlt an Privatsphäre, Mitbestimmung und Kontakt zur Gemeinschaft. Auch die Unterstützungspersonen können oft nicht frei gewählt werden.

Auch im Bereich Wohnen stellt das Deutsche Institut für Menschenrechte Forderungen an die Bundesregierung:

  • Besondere Wohnformen abbauen und mehr Angebote schaffen, bei denen Menschen selbst entscheiden können, wie sie leben – z. B. mit persönlicher Assistenz.
  • Das Bundesteilhabegesetz besser umsetzen, damit die Unterstützung wirklich zu den individuellen Bedürfnissen passt und ambulante Hilfen ausgebaut werden.
  • Barrierefreien Wohnraum schaffen: Es fehlen über zwei Millionen Wohnungen, in denen Menschen barrierefrei leben können.
  • Gesetze anpassen, damit Menschen nicht wegen ihres Einkommens oder Vermögens benachteiligt werden und Leistungen nicht gegen ihren Willen zusammengelegt werden.
  • Mehr Fachkräfte gewinnen für die Eingliederungshilfe und Pflege – mit besseren Arbeitsbedingungen und einer Ausbildung, die sich an den Menschenrechten orientiert.
  • Ein Förderprogramm für barrierefreies Wohnen starten und klare Regeln für barrierefreies Bauen festlegen.
  • Daten verbessern, um besser zu verstehen, wie Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt wohnen und leben möchten.

Mehr zu Thema inklusiv Wohnen erfahren:

Forderungen für ein inklusives Bildungssystem

Kinder mit Behinderungen haben das Recht, gemeinsam mit anderen Kindern in Regelschulen unterrichtet zu werden – ohne Diskriminierung und mit der Unterstützung, die sie brauchen. Das steht in der UN-Behindertenrechtskonvention.

In Deutschland gibt es aber immer noch viele Förderschulen. Mehr als die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf geht dorthin. In manchen Bundesländern werden es sogar mehr. Oft haben Eltern von Kindern mit Behinderung keine andere Möglichkeit, weil Regelschulen nicht genug Unterstützung anbieten oder sie zur Förderschule beraten werden. Das sogenannte „Elternwahlrecht“ ist deshalb oft keine echte Wahl.

Die Ressourcen, die heute in Förderschulen stecken, sollten, laut des Deutschen Instituts für Menschenrechte, in Regelschulen investiert werden, damit dort alle Kinder gemeinsam lernen können. Außerdem fordert das Institut gemeinsame Bildungsstrategie von Bund und Ländern, den „Pakt für Inklusion“. Außerdem soll der Bund soll mehr unterstützen, z. B. durch gemeinsame Qualitätsstandards, finanzielle Hilfe oder die Überprüfung der Fortschritte.

Forderungen für ein inklusives Gesundheitssystem

Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf inklusive und diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung – das ist Teil der UN-Behindertenrechtskonvention. Eine Befragung der Aktion Mensch zeigt jedoch, dass 54 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigung Barrieren und Hürden im Gesundheitssystem wahrnehmen. 

Beispiele dafür sind:

  • Nur wenige Arztpraxen sind barrierefrei – besonders auf dem Land und bei Fachärzt*innen, wie Gynäkolog*innen, fehlt es an Angeboten.
  • Viele Ärzt*innen und Pflegekräfte sind nicht gut auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen vorbereitet.
  • Oft wird Behinderung im Gesundheitswesen als „Defizit“ gesehen – das zeigt sich z. B. bei Diskussionen über Triage oder bei pränatalen Tests.

Für den Weg zu einem inklusiveren Gesundheitssystem, und damit zur Umsetzung der UN-BRK, fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte folgende Dinge:

  • Den Aktionsplan für ein inklusives Gesundheitswesen umsetzen, mit klaren Regeln, Geld und regelmäßiger Überprüfung.
  • Arztpraxen zur Barrierefreiheit verpflichten, z. B. bei neuen Zulassungen.
  • Mehr Angebote für Frauen und Mädchen mit Behinderungen schaffen, z. B. spezielle gynäkologische Ambulanzen.
  • Fachkräfte besser ausbilden, damit sie vorurteilsfrei und barrierefrei arbeiten und die Wünsche der Patient*innen respektieren.
  • Begleitpersonen und Assistenz im Krankenhaus ermöglichen, für alle, die sie brauchen – auch außerhalb spezieller Modelle.
  • Pflegeleistungen für Menschen mit Behinderungen verbessern, unabhängig davon, wo sie wohnen.
  • Vor- und Nachteile von vorgeburtlichen Tests beobachten, mit einem Expert*innen-Team, das auch die Sicht von Menschen mit Behinderungen einbezieht.
  • Regeln zur Suizidhilfe überarbeiten, damit sie niemanden benachteiligen.
  • Sicherstellen, dass Intensivpflege zuhause möglich bleibt, mit klaren und menschenrechtskonformen Regeln.

Die Aktion Mensch hat im März 2025 eine Befragung zum Thema "Gesundheit" durchgeführt und die Ergebnisse, sowie entsprechende Forderungen an Politik und Gesellschaft in einem Forschungsbericht festgehalten. 

Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in der 21. Wahlperiode (2025-2029)

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat, als Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, Forderungen an die Bundesregierung entwickelt, um die Umsetzung der Konvention voranzutreiben. Der vorliegende Beitrag stützt sich auf diese Forderungen.

Die entsprechende Publikation fasst zusammen, was in den kommenden Jahren getan werden muss, um die Rechte von Menschen mit Behinderung zu sichern.

Das könnte Sie auch interessieren